Medienspiegel Langnau Jazz Nights 2014 - page 15

Medienspiegel
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Der Landbote
Freitag, 25. Juli 2014
Von Alchemiejazz bis Zirkusjazz
Ohrenspitzer
Das atemberaubende Auftaktkonzert mit
dem Trio des Pianisten Kenny Werner hat an den Langnau Jazz
Nights die nachhaltigste Wirkung entfaltet. Für Aufsehen
sorgte aber auch der weltberühmte Saxofonist Joshua Redman.
ImJazz gibt esGruppen, andenen
der Zahnder Zeit nagt, und solche,
die imLaufe der Jahre immer bes-
ser werden. Das vom Bassisten
DaveHolland angeführteQuartett
Prism zählt zur ersten, das Trio
des Pianisten Kenny Werner zur
zweiten Sorte – beide Formatio-
nen waren am ersten Abend der
Langnau Jazz Nights zu hören
(Werner weilt derzeit als Work-
shop-Dozent imEmmental).
Holland und seine Mitstreiter
Craig Taborn (Klavier, Fender
Rhodes), Kevin Eubanks (E-Gi-
tarre) und Eric Harland (Schlag-
zeug) traten bereits vor zwei Jah-
ren in Langnau auf, wo sich jeden
Juli unter der Ägide von Bacchus
Walter Schmocker ein veritables
«glokales» Jazzwunder ereignet.
In der Zwischenzeit ist die zwi-
schen Fusion und Avantgarde os-
zillierende Identität der Band
Prism nicht stärker, sondern
schwächer geworden. Die häufig
auf repetitiven Figuren basieren-
den Stücke wurden dieses Mal
noch extremer gedehnt (und letzt-
lich überdehnt). Die Balance zwi-
schen den Musikern geriet aus
demLot. Obwohl er der visionärs-
te Prism-Kopf ist, kamTaborn viel
zu selten zum Zug, über weite
Strecken sass er tatenlos herum–
immerhin sorgte ermit einemab-
solut wahnwitzigen Solo, das sich
anhörte, alswürde einPianorobo-
ter ausflippen, für einenderweni-
gen denkwürdigen Momente des
unfokussierten Konzerts.
Genial und verspielt
Während der aus der Technostadt
Detroit stammende Taborn zu
den Senkrechtstartern der letzten
Jahre gezählt werden darf (auf
dem renommierten Label ECM
hat er ein Solo- und ein Trio-
album veröffentlicht), ist Kenny
Werner seit über drei Jahrzehn-
ten als «musicians’ musician»
unterwegs: Seine genialische,
gleichermassen tiefschürfende
und verspielte Musikalität ist
zwar längst keinGeheimnismehr,
der grosse Durchbruch blieb
ihm trotzdem verwehrt. Dabei
brauchtWerner als Pianotrio-Ko-
ryphäe den Vergleich mit viel be-
kannteren Kollegen wie Keith
Jarrett oder Brad Mehldau nicht
zu scheuen.
Mit dem fokussiert-sparsamen
Bassisten Johannes Weidenmül-
ler und dem hinterlistig-explosi-
ven Schlagzeuger Ari Hoenig bil-
det Werner seit anderthalb Jahr-
zehnten eine verschworene Ein-
heit: Ihr von A bis Z fesselnder
Auftritt war ein Paradebeispiel
für hellwach-kommunikatives,
geradezu telepathischesMusizie-
ren mit Herz und Verstand auf
allerhöchstem Niveau. Das Re-
pertoire bestand aus Stücken
Werners (darunter die tollkühne
Monk-Hommage «Amonkst»)
sowie überraschendenKlassiker-
bearbeitungen: Aus Coltranes
harmonischer Achterbahnfahrt
«26-2» wurde die harmonisch-
rhythmische Achterbahnfahrt
«26-2-5» und in die äusserst sinn-
liche Version der Ballade «Peace»
des kürzlich verstorbenenPianis-
ten Horace Silver wurde ein un-
gewöhnliches Schlagzeugsolo in-
tegriert.
Bei Redman tobte die Hütte
Nach dem «Alchemiejazz» von
Werners Trio gabs am zweiten
Abend spektakulären «Zirkus-
jazz»mit demQuartett des zappe-
ligen Fitness-Saxofonisten Jo-
shua Redman, der seinem Ruf als
«everybody’s darling» gerecht
wurde: Die Hütte war voll und
tobte. Das welsch-französische
Quartett Red Planet punktete im
Vorprogrammmit einer kompak-
ten Teamleistung, viel Leiden-
schaft und souveränen Anleihen
bei afroamerikanischen Hoch-
druckspezialisten wie zum Bei-
spiel Coltrane, Jackie McLean
oder Kenny Garrett.
Bevormorgen die ausgelassene
Schlussparty mit der Brecker
Brothers Band Reunion (mit
demberühmt-berüchtigtenZappa-
Schlagzeuger Terry Bozzio) und
einer 8-köpfigen Combo des Ma-
ceo-Schlagzeugers Jamal Thomas
steigt, gilt es heute nochmals die
Ohren zu spitzen: Nach demTrio
der jungenPianistinMarieKrütt-
li wird der NewYorker Trompeter
Ralph Alessi Musik von seiner
hochgelobten ECM-CD «Badia»
präsentieren – als Gast wird mit
dem Altsaxofonisten Greg Osby
einer der progressivsten und pro-
filiertesten Mastermind-Maes-
tros zu seinem exquisiten Quar-
tett stossen. Dabei werden imPu-
blikum viele Workshopteilneh-
mer (von sehr jung bis sehr alt)
anzutreffen sein, die von diesen
Musikern die ganzeWoche lang in
die Geheimnisse des Jazz ein-
geführt worden sind: typisch
Langnau.
TomGsteiger
Auftritt in Langnau BE: Joshua Redman
gilt als einer der erfolgreichsten Jazzmusiker seiner Generation.
Keystone
Ein Maestro mit perfekter Bühnenshow
1...,5,6,7,8,9,10,11,12,13,14 16,17,18,19,20
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