Medienspiegel Langnau Jazz Nights 2023

28 Ausgehen Donnerstag, 20. Juli 2023 Es sind dieses Jahr schon erstaunlich viele rühmenswerte Alben erschienen. Doch eines der schönsten ist die Einspielung «Violet Drive» der GruppeKeralaDust. Dabei ist es gar nicht so einfach, zu beschreiben, was es da zu hören gibt. Versuchen wir es so: Wer die schattige Eleganz von Pop-Noir-Helden wie Warhaus oder Balthazar mag, der wird mit Kerala Dust eine neue Nebenbeziehung beginnen wollen. Eigentlich fühlt sich das Trio, das in London gegründet wurde und vom in Zürich aufgewachsenen Briten Edmund Kenny angeführt wird, in der elektronischen Musikszene heimisch. Doch aufs erste Hinhören trifft man hier auf eine Band, die dem urbanen Blues weit mehr zugeneigt scheint als den Machenschaften in einem herkömmlichen Electro-Tanzschuppen. In jedem Lied wartet eine Stromgitarre auf ihren Soloeinsatz, und wenn sie dann mal darf, dann legt sie los, wie einst Marc Ribot, als er noch unter der Fuchtel von Tom Waits stand. Die Schlaginstrumente, die zum Einsatz kommen, klingen grossmehrheitlich nach Fell und Holz, und die mehr hauchende als singende Stimme gemahnt an die eines übernächtigten NewWave-Crooners. In struktureller Hinsicht baut diese Musik dann aber doch auf die repetitive Kraft der Clubmusik, und es finden sich Klänge, die sich mit Holz und Fell nicht bewerkstelligen lassen. Kurz: Kerala Dust liefern hier ein Album ab, das als eines der gloriosesten Grossstadt-Blues-Werke der letzten Jahre gefeiert werden darf. Und das Schöne an dieser Geschichte ist, dass diese Band dieses Wochenende am Festival Am Schluss in Thun zu bewundern sein wird (So, 23.7.). Die von den Mokka-Macherinnen und -Machern veranstaltete Konzertreihe zwischen Riesenrad und Mühleplatz hat auch dieses Jahr Musik im Angebot, die vom erfreulich weiten Horizont und dem exquisiten Geschmack der amtierenden Booker Zeugnis ablegt. Beispiele gefällig? Am Donnerstag (20.7.) gibts den aparten Indie-DreampopHip-Hop-Crossover der österreichischen BandSharktankzubewundern, welche vom Bilderbuch-Produzenten Marco Kleebauer gegründet worden ist. Am Tag danach präsentiert Bevn neuen deutschen Gefühlspunk, undPaula Carolinaerzählt, was ein juveniles Indie-Girl so umtreibt (Fr, 21.7.). Es gibt aufmüpfige argentinische Cumbia vonKumbia Queers (Sa, 22.7.), französischen Glam Popmit Bon Enfant (Mo, 24.7.) oder Rabauken-Rock vom deutschen Maxi Haug aka Shitney Beers. Die an dieser Stelle schon gebührend gefeierte israelische Sängerin und SchauspielerinLiraz (sie stand schon mit Sean Penn oder Naomi Watts vor der Kamera), wird heutigen Synthiepop mit persischer Musik der Siebzigerjahre verknüpfen (27.7.). Evellin Trouble reist mit einem ganzen Orchester nach Thun (28.7.), während die BernerMüslüm (29.7) und Bubi Eifach (30.7.) das Schlussbouquet zünden. Und wem das noch nicht an Eklektik genug ist, dem stampfen TootArd aus den Golanhöhen (und auch ein bisschen vom Berner Eigerplatz) am Mittwoch (26.7.) arabische Tanzmusik in die Magengrube. Vielleicht unternimmt ja auch der Thuner Stadtrat, der dem Mokka die Subvention kürzen will, einen kleinen Ausflug ins Stadtinnere. Am Schluss ist ein Festival, um das Thun von so manchen Schweizer Städten beneidet wird. Ane Hebeisen Mühliplatz Thun, Do, 20.7., bis So, 30.7. Start 20 Uhr (Fr und Sa jeweils 21 Uhr). Ein Fest, um das man Thun weitherum beneidet Festival Am Schluss Hier spielt die Band Kerala Dust, die uns eines der aufregendsten Alben des bisherigen Jahres geschenkt hat: Das Thuner Festival Am Schluss hat in der ganzen Open-Air-Kakofonie zum eigenen Ton gefunden. Musik unter dem Riesenrad: Das Festival Am Schluss beschenkt Thun mit entdeckungswürdiger Musik. Foto: Markus Hubacher Tom Gsteiger Wer von Kenny Barron spricht, der 1943 in Philadelphia auf die Welt kam, sollte auch von seinem 16 Jahre älteren Bruder Bill Barron sprechen. Denn er war es, der Kenny in den Jazz einführte. Während Bill Barron bereits 1989 starb und in Vergessenheit geriet, wurde aus Kenny Barron ein berühmter Pianist mit einer kaum überblickbaren Diskografie. Deren erster Eintrag stammt von 1961: eine Session mit seinem Bruder. Ein Jahr später stiess Barron für fünf Jahre zur Band des legendären BebopTrompeters Dizzy Gillespie, der damals mit dem Bossa Nova liebäugelte. Der Bossa Nova kam auch Jahrzehnte später wieder aufs Tapet. 2018 gastierte Barron im Doppel-Piano-Format mit Benny Green am Jazzfestival Bern. Im Gespräch nannte Green Barron «einen der ersten Meister des Bossa Nova im Jazz» und attestierte dessen brasilianisch angehauchtem Spiel eine «atmende Sexyness». Barron erhielt ab seinem sechsten Lebensjahr Klavierunterricht, wobei er anfänglich lieber draussen mit den anderen Kindern gespielt hätte. «Das hat sich nach und nach geändert. Dank meines Bruders, der mir Platten von Charlie Parker, Dizzy Gillespie, Miles Davis und Dexter Gordon vorspielte. Und in Philadelphia gab es auch eine hervorragende Jazz-Radiostation.» Was hat Barron am Jazz angezogen? «Das weiss ich gar nicht so genau, aber ich weiss, dass ich diese Musik liebte. Als das Album «Six Pieces of Silver» des Pianisten Horace Silver rauskam, bin ich ständig fünf Blocks zu einem Imbiss gerannt, weil es dort eine Jukebox gab mit zwei Stücken von dieser Platte.» Ein anderer Pianist, der es Barron angetan hat, ist Thelonious Monk. Barron sagt dazu: Man könne zwar von ihm beeinflusst sein, wenn man aber versuche, wie Monk zu spielen, sei man zum Scheitern verurteilt. Im Gegensatz zu Silver und Monk pflegt Barron allerdings eine alles andere als minimalistische Spielweise, aber er übertreibt es auch nicht mit seiner Virtuosität, sondern ist dafür besorgt, dass sich Eloquenz und Aussagekraft die Waage halten. Verrücktes New York Mit dem Quartett Sphere – benannt nach dem zweiten Vornamen von Monk und kurze Zeit nach dessen Tod 1982 gegründet – hat Barron mit den engen Monk-Weggefährten Charlie Rouse (Tenorsax), Ben Riley (Schlagzeug) und dem Bassisten Buster Williams einen exemplarisch unprätentiösen Modern Jazz zelebriert, wobei das Repertoire von Bebop bis zu Eigenkompositionen reichte. Unter diesen Eigenkompositionen befindet sich auch Barrons Stück «Lunacy» (Wahnsinn,Aberwitz), mit dem der Pianist die verrückte Seite von New York einzufangen versucht. Bloss ein Jahr später entstand dann bei einem Auftritt von Barrons Quintett im New Yorker Jazzclub Fat Tuesdays eine fulminante Version von «Lunacy». An diese Gruppe (John Stubblefield, Saxofon, Eddie Henderson, Trompete, Cecil McBee, Bass,Victor Lewis, Drums) erinnerte sich Barron im Gespräch gerne: «Ich hatte sehr viel Spass mit dieser Band. Manchmal nahmen wir uns für ein einziges Stück zwanzig oder sogar dreissig Minuten Zeit.» Die dritte und bis dato letzte Aufnahme mit «Lunacy» ist das Album «Book of Intuition» von 2015. Auf diesem Album ist Barrons Trio mit dem Bassisten Kiyoshi Kitagawa und dem unüberhörbar vom Hip-Hop beeinflussten Schlagzeuger Jonathan Blake zu hören. Mit dieser Besetzung wird Barron, der am 9. Juni bei guter Gesundheit seinen 80. Geburtstag feiern konnte, auch die Langnau Jazz Nights beehren. Zum Repertoire dieses Trios zählt mit «Nightfall» auch ein Stück des epochalen Bassisten Charlie Haden, mit dem Barron 1996 im New Yorker Jazzclub Iridium ein wunderbares Duo-Album aufgenommen hat. «Manchmal nahmen wir uns für ein Stück dreissig Minuten Zeit» Langnau Jazz Nights Seine Karriere begann in der Band von Dizzy Gillespie. Heute ist der Jazz-Pianist Kenny Barron selbst eine Legende. Mit 80 gastiert er zum ersten Mal an den Langnau Jazz Nights. Ohne seinen Bruder wäre er nicht da, wo er heute ist: Kenny Barron. Foto: Jimmy Katz Langnau wird zum Jazz-Hotspot Vom Muhen der Kühe keine Spur mehr: Auf dem Viehmarktplatz in Langnau ist an den Langnau Jazz Nights vom 25. bis am 29. Juli viel Musik zu hören. Während einer Woche treten dort Nachwuchsbands auf, ebenso wie Teilnehmende der Workshops, in denen Interessierte allen Alters und Niveaus musikalische Inputs erhalten und Stücke einstudieren. Das Abendprogramm in der Kupferschmiede: 25.7.: Mareille Merck (20.30 Uhr), Mike Stern Band feat. Dennis Chambers, Jimmy Haslip, Leni Stern & Bob Franceschini (22.15 Uhr) 26.7.: Taylor Eigsti Trio feat. Antonio Sanchez & Harish Raghavan (20.30 Uhr), Richard Bona & Alfredo Rodriguez Duo (22.15 Uhr) 27.7.: Marcus Strickland Twi-Life (20.30 Uhr), Chris Potter Circuits feat. James Francies and Eric Harland (22.15 Uhr) 28.7.: Sélène Saint-Aimé Quintet (20.30 Uhr), Kenny Barron Trio (22.15 Uhr), Taylor Eigsti & the Next Generation Band (00.00 Uhr) Auch erschienen in: Der Bund online, BZ (inkl. online), Langenthaler Tagblatt, Thuner Tagblatt, Berner Oberländer

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