Medienspiegel Langnau Jazz Nights 2023

J A Z Z 25 PORTRAIT Der erfahrene Saxophonist Dave Liebman bezeichnete seinen Kollegen Chris Potter einmal als ”one of the best musicians around”. Ein Statement, das mit seinem schlichten Superlativ umso wirkungsvoller die Musikalität und instrumentale Souveränität von Chris Potter in Erinnerung ruft. Potter hat einen kraftvollen Sound. Er ist ein ideenreicher Komponist, der immer auch aktuelle musikalische Ausdrucksweisen absorbiert und als Instrumentalist mühelos in Flow kommen kann. Das zeigen auch die beiden Alben, die er mit dem Trio Circuits 2019 und 2021 realisiert hat. Die Musik ist interessant strukturiert, sie ist melodisch und vital und manchmal hat sie auch einen langen Atem, wie der 24-minüige Track ”Nowhere, Now Here/Sunrise Reprise” wunderbar beweist. Elektronische Komponente Nach einigen Alben auf ECM kehrte Chris Potter mit dem 2019 veröffentlichten Debutalbum von Circuits zu griffigeren Themen und zum Groove zurück. Zum Sound des Trios gehören auch sanfte elektronische Effekte: James Francies spielt Keyboards und Synthesizer und auch Potter koppelt sein Horn ab und zu mit Effekten, wo sie das Klangbild mit Texturen im Hintergrund passend erweitern können. Der Bandname Circuits weise zum einen auf diese elektronische Komponente im Sound hin, sagt Potter im Gespräch mit JAZZ’N’MORE. ”Aber der Begriff assoziiert auch den geschlossenen Energiekreislauf in einem Schaltkreis, den Austausch der Energie zwischen Musikern und Publikum.” Mit Circuits hat Saxophonist Chris Potter 2019 ein Trio lanciert, das seine Verankerung in den Jazz-Roots mit sanften Elektronikeinflüssen im Hier und Heute zum Ausdruck bringt. Mit dabei sind Pianist James Francies und Schlagzeuger Eric Harland. Circuits ist ein Höhepunkt an den diesjährigen Langnau Jazz Nights. Von Pirmin Bossart FOTO: GOFFREDO LÖRTSCHER Die Energie wird gespiesen von drei hervorragenden Instrumentalisten. Mit dem Schlagzeuger Eric Harland arbeitet Potter seit vie- len Jahren zusammen. ”Er ist ein einzigartiger Musiker. Er hat alle technischen Fähigkeiten, die ein Schlagzeuger haben kann, aber ich fühle, dass er sich stärker auf die spirituelle Essenz der Musik konzentriert. Ich spiele sehr gerne mit ihm zusammen”. Es war Harland, der Potter mit dem jungen Pianisten James Francies bekannt gemacht hat. ”Francies ist ein Musiker mit einem unglaublichen Spektrum. Er kann mit ungeraden Metren umgehen und hat am Klavier manchmal fast so etwas wie Art Tatum. Und er bringt die Perspektive der jungen Generation mit ein. Wir funktionieren sehr gut miteinander und es fühlt sich auch so an.” Frühe Einflüsse 1989 tauchte Chris Potter als 18-Jähriger mit dem Bop-Trompeter Red Rodney (1927–1994) erstmals in der New Yorker Szene auf. Er wuchs in South Carolina auf, spielte schon mit 13 Jahren Jazzkonzerte und besuchte später die Manhattan School of Music. Er wurde zu einem gefragten Sideman und spielte unter anderen mit Herbie Hancock, Dave Holland, John Scofield, The Mingus Big Band, Jim Hall, Paul Motian, Dave Douglas, Ray Brown. Potter ist auf über 100 Alben zu hören und hat selber über 15 Alben als Bandleader eingespielt. Die erste Musik im Jazz, mit der er sich als jugendlicher Saxophonist beschäftigt habe, sei diejenige von Duke Ellington gewesen, sagt Potter. ”Diese Musik und die Saxophonisten in Ellingtons Band haben immer noch einen grossen Einfluss darauf, wie ich musikalisch denke. Etwa die Art und Weise, wie ich kompositorisch Sounds oder Texturen verwende.” Viele seiner Einflüsse kämen aus dieser frühen Zeit des Hörens, von Charlie Parker, John Coltrane, Sonny Rollins über Bartok, Bach und Mozart bis zu The Beatles und Stevie Wonder. ”Ich habe immer wieder neue Musik entdeckt, Musik aus Afrika, aus Asien, und lasse mich inspirieren. Das geht bis heute so.” All-Star-Quartett Während des Lockdowns hatte Chris Potter das Solo-Album ”There Is a Tide” aufgenommen, auf dem er sämtliche Instrumente selber spielte, inklusiv Schlagzeug, Gitarre, Bass, Perkussion, Klarinette. ”Ich habe in diesem Prozess eine Menge über Musik gelernt. Gleichzeitig konnte ich mich mit diesem Projekt auf einige Dinge konzentrieren, an denen ich schon immer arbeiten wollte, aber nie die Zeit hatte, mich darauf einzulassen.“ Im April 2023 wurde in San Francisco ein abendfüllendes Konzertstück uraufgeführt, das Chris Potter für ein Kammerorchester und eine Jazzband geschrieben hat. Gespannt darf man auf das Album des akustischen AllStar-Quartetts mit Brad Mehldau, John Patitucci und Brian Blade sei, das voraussichtlich dieses Jahr erscheinen wird. Q SCHALTKREISE UND ENERGIEN KONZERT: 27. 7.2023 Chris Potter Circuits, Langnau Jazz Nights. Am gleichen Abend spielt Markus Strickland Twi-Life. Weitere Informationen: www.jazz-nights.ch CHRIS POTTER CIRCUITS JNM_04_23_25_Chris Potter.indd 25 25.06.23 23:53 Jazz’n’more • Juli / August 2023

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