Medienspiegel Langnau Jazz Nights 2023

bote.ch 28. Juli 2023 13:38 tagblatt.ch aargauerzeitung.ch Saxofon-Wahnsinn von Chris Potter. Ein neuer Sound für eine neue Generation Die Langnau Jazz Nights haben sich über die Jahre zu einem ebens beliebten wie hochattraktiven Treffen für Jazzfreunde entwickelt. Dank der formidablen Kontakte des Festivalgründers, des ehemaligen Bassisten Walter Schmocker, zur Szene in New York finden immer wieder Topcracks den Weg ins beschauliche und malerische Emmental. Sie drücken auch dem diesjährigen Festival den Stempel auf. Mit Mareille Merck Larus und dem Sélène Saint-Aimé Quintet haben es aber diesmal auch zwei vielversprechende europäische Bands ins Programm geschafft. Der Donnerstagabend gehörte aber zwei der spannendsten amerikanischen Tenorsaxofonisten des zeitgenössischen Jazz: Marcus Strickland und Chris Potter. Beide waren schon mehrmals in Langnau, wo sie jetzt ihre neuesten Projekte vorstellten. «The Universe's Wildest Dreams» heisst das neue Album von Stricklands afro-futuristischen Bandprojekt Twi-Life mit Mitch Henry an Keyboard und Orgel, Kyle Miles am Bass und Charles Haynes am Schlagzeug. Hier werden Stile und Rhythmen zwischen Afrika und Amerika aufgegriffen und mit Mitteln des Jazz zu einem faszinierenden Gebräu miteinander verwoben. Den afrofuturistischen Ansatz kombiniert er hier mit dem Fokus auf den Klimawandel und mit einem Aufruf zur Rettung unseres -LiPlaneten. Stricklands wilden Träume sind gar nicht so wild Das ist geschmackvoll arrangiert und groovt mächtig. Darüber lässt er seine besonnenen Themen glänzen und entwickelt seine Soli mit warmem Ton: Aber nicht wild und heiss wie der Titel vermuten lässt, sondern bedächtig, sehr abgeklärt und überlegt. Eine Text-Ton-Schere? Stricklands «wilden Träume» lassen jedenfalls jene Dringlichkeit vermissen, die das dringliche Thema Klimawandel eigentlich erfordern und erwarten würde. Diese Erwartungen erfüllt Chris Potter umso mehr. Was für ein Kontrast! Der 52-jährige Amerikaner steht in einer Linie von John Coltrane und Michael Brecker. Doch wer glaubt, die Entwicklung habe mit Brecker den Höhepunkt erreicht, der sieht sich angesichts der Kunst von Potter eines Besseren belehrt. Und er scheint immer besser zu werden. Punkto Virtuosität und Intensität setzt er neue Masstäbe. Dabei bedient er sich aus einem riesigen Vokabular von Ausdrucksmöglichkeiten, und ist auch rhythmisch und melodisch unglaublich einfallsreich. Von einem anderen Stern. Unglaublich, Wahnsinn! Geht da noch mehr? Unvorstellbar. Lange hat sich Potter auf das Akustische konzentriert, das Elektronische galt als verpönt. Seit einigen Jahren beschreitet er mit seinem Trio Circuits auch elektronische Wege, arbeitet mit Samplern, verschiedenen Effektgeräten zur Erzeugung von digitaler Mehrstimmigkeit. In Langnau ist der Umgang aber zurückhaltend, der Ton wird weniger verfremdet als erweitert. Gut so. Dabei hat er mit seinem Langzeit-Drummer Eric Harland und vor allem mit dem aufstrebenden Keyboarder James Francies eine perfekte Ergänzung gefunden. Der erst 28-jährige Tastenmann aus Texas ist eine imposante Figur, ein Hüne, ein Kleiderschrank von einem Kerl. Und so spielt er auch. Im basslosen Trio übernimmt er auch gleich den Basspart. Furios die Zwiegespräche, die seine linke Basshand mit seiner rechten Keyboard-Hand führt. Übertroffen werden sie nur noch vom feurigen Frage-und-Antwortspiel mit Potter. Circuits präsentiert in Langnau eine Art Fusion-Musik für das 3. Jahrtausend. Topaktuell, innovativ, energiegeladen und groovend. Ein neuer Sound für eine neue Generation.

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