Medienspiegel Langnau Jazz Nights 2022

27 Ausgehen Donnerstag, 21. Juli 2022 Kulturredaktion — Eins mit dem Fluss: «River Being» Ist, wer hier lebt, automatisch ein River Being, ein Flusswesen? Klar ist, die Aare prägt das Stadtbild und die Bewohnerinnen und Bewohner. Auch das Performancestück «River Being» befasst sich mit dem grünen Gewässer. Die «Verflechtung zwischen dem Fluss, der Performance und den Zuschauenden offenlegen, wiederherstellen und stärken», dies das etwas kryptische Vorhaben der Tänzerinnen Vera Ilona Stierli, Ingvild Marstein Olsen und Olivia Edginton. Inspiriert von der Topografie, der Bewegung und vom Klang des Flusses performen sie zu Livemusik von Guoste Tamulynaite direkt vor Ort am Ufer der Aare. (sas) Treffpunkt: Dalmaziquai 10, Bern, Freitag, 22. Juli, 16 bis 18 Uhr, weitere Vorstellungen bis 24. Juli. — Musik aus dem Krieg: Latenz-Ensemble Ukrainische zeitgenössische Musik: Sie ist einerseits geprägt vom Nachlass der sowjetischen Musikinstitutionen, andererseits richtet sie ihren Blick nach Westen, geprägt vom Verlangen nach der Dekolonisierung ihrer eigenen Kunst.Aber wie klingt etwas, das während des russischen Angriffskriegs entsteht? Das Latenz-Ensemble hat drei ukrainischen Komponisten den Auftrag gegeben, ihre eigene Antwort auf diese Frage zu formulieren. Zu hören sein wird Musik von Gleichgewicht und Gerechtigkeit, von Gemeinschaft und Gesellschaft, von Mut und Hoffnung. Die Konzerteinnahmen werden zugunsten von Kulturschaffenden im Krisengebiet an den Ukrainian Classical Musicians Support Fund gespendet. (mar) Yehudi Menuhin Forum, Sonntag, 24. Juli, 17 Uhr. — Soul für die Dämmerung Caroline Alves ist in einer brasilianischen Favela aufgewachsen. Mit elf Jahren kam sie nach Biel. Hier fand sie ihre eigene Stimme und den Mut, Musik zu machen. Ein Glück und ein Erfolg, denn 2021 wurde sie mit 23 Jahren an den Swiss Music Awards zum Talent des Jahres ausgezeichnet. Electro-Soul nennt sie selbst ihre Musik, die von Melancholie durchzogen ist, aber auch von viel Rhythmus und Lebendigkeit, die mit Jazz- und ElectropopElementen, mit Bossa Nova und R’n’B spielt. Ein Sound, der in einem dämmerigen Blau zu schimmern scheint. Unter der Oberfläche der manchmal etwas handelsüblichen Popsongs vibriert etwas Betörendes, Sehnsüchtiges. Dazu kommt ihre Stimme, die dieses eindringliche Timbre hat, zart, manchmal fast nuschelnd, geheimnisvoll und doch kraftvoll. (mbu) Berner Generationenhaus, Donnerstag, 21. Juli, 20 Uhr. — Blaue Stunde mit LukaBloom Mit Luka Bloom und Bern ist das so eine Sache: Nach einem Konzert im ISC begehrte der irische Liedermacher eine kleine Stadtbesichtigung zu unternehmen. Danach sei er ob all den Schildern und Netzen, welche die lebensmüden Berner vom Sprung in den Selbsttod abhalten sollen, dermassen deprimiert gewesen, dass er kurz darauf eines seiner schönsten Lieder, «Bridge of Sorrow», verfasst habe. Und als 1999 auf dem Gurten der UptownClub eröffnet wurde, war Luka Bloom der Stargast des Abends und wurde mit folgender launigen Ansage auffällig: «Man sagt, die Welt werde immer wärmer. Mein Traum ist es, so in zwanzig Jahren Irlands erster Beachboy zu sein, um an einem sonnigen Strand mit langem, weissem, zu einem Pferdeschwanz gebundenem Haar billige Souvenirs an Schweizer Touristen zu verkaufen.» So weit ist es offensichtlich nicht gekommen. Luka Bloom singt den Schweizerinnen und Schweizern noch immer erhebende, sentimentale, ernste, sehnsüchtige und tiefschürfendeLieder. (ane) Kulturhof Schloss Köniz, Mittwoch, 27. Juli, 20.30 Uhr — Musikalische Weltreisen: Festival Am Schluss in Thun Bei der zwölftägigen Konzertreihe «Festival Am Schluss» auf dem Thuner Mühleplatz – direkt hinter dem Riesenrad – ist ein breiter Stilmix von Indie-Rock über Hip-Hop bis hin zu Arabic Worldmusic angesagt. Zu den bekannten Namen zählen Mundart-Rapper Baze (31. Juli) oder Thees Uhlmann (25. Juli), früher Sänger der Band Tomte. Eine Neuerung gibt es: An den beiden Festivalwochenenden ist jeweils freitags und samstags spätabends im Club an der Allmendstrasse 14 eine Aftershow programmiert. Am Donnerstag, 21.Juli, richten sich die Scheinwerfer auf das israelische Duo Lola Marsh mit Yaël Shoshana Cohen und Gil Landau (Bild). Ihr betörender, swingenden IndiePop besitzt eine ganz eigene Magie und kann Rauschzustände auslösen. (lex) Bis 31. Juli. Mühleplatz und Café Mokka, Allmendstrasse 14, Thun, jeweils 20 Uhr. — Libelle als Bühne: die Velo Stage Street Music Tour Sie sieht ein bisschen aus wie eine überdimensionale Libelle, nur handelt es sich hier nicht um ein Insekt, sondern um eine einzigartige Auftrittsmöglichkeit. Die Velostage ist eine faltbare, mobile Bühne mit Lautsprecherboxen, auf der sogar eine Band Platz findet. In Bern zum Einsatz kommt diese Bühne an der Velo Stage Street Music Tour, organisiert vom Kulturveranstalter Musicline. An verschiedenen öffentlichen Spielorten werden pro Abend zwei Sets gespielt (jeweils um 18.30 und 20.30 Uhr), von den Flügeln der Libelle schallen unter anderem Indie-Slow-Wave der Berner Band Silver Birch oder Straight-Mafia-Funk von Hi Jo. (xen) Verschiedene Orte Bern, Donnerstag, 21. Juli (Stauffacherplatz), Dienstag, 26. Juli (Falkenplatz), Mittwoch, 27. Juli (Stauffacherplatz), Donnerstag, 28. Juli (Kornhausplatz). Sie tanzen in der Aare Was geht? Die Ausgehtipps der Woche Überdimensionale Libellen, ein Flusswesen und Irlands erster Beachboy: unsere Kulturtipps der Woche. Die Tänzerinnen lassen sich von der Topografie, der Bewegung und vom Klang der Aare inspirieren. Foto: Kristoffer Hylland Skogheim Swingender, betörender Indie-Pop: Das israelische Duo Lola Marsh. Foto: zvg Das Latenz-Ensemble ist das musikalische Sprachrohr von ukrainischen Komponisten. Foto: zvg Umtriebiger Multiinstrumentalist: Patrick Lerjen, sein Trio nennt er Silver Birch. Foto: zvg Caroline Alves’ Stimme ist zart, manchmal fast nuschelnd, geheimnis- und doch kraftvoll. Ob im Jazz je Geschlechterparität erreicht werden wird, steht in den Sternen. Immerhin gibt es Jahr für Jahr immer mehr Instrumentalistinnen, die von sich reden machen (im Vokaljazz hatten die Frauen die Nase schon immer vorn). Das Hauptprogramm der Langnau Jazz Nights umfasst an fünf Abenden zehn Konzerte in der Kupferschmiede. Bei drei spielen Frauen die Hauptrolle (als Bandleaderinnen), bei zwei weiteren Bands spielt je eine Frau mit. Total kommen auf 40 Männer 6 Frauen. Gegenüber früher macht das Festival damit einen grossen Schritt nach vorne. Bei den drei Bandleaderinnen handelt es sich um die Pianistin Lynne Arriale, die Trompeterin Ingrid Jensen und die Altsaxofonistin Lakecia Benjamin. Arriale, die heuer auch den Meisterkurs für Jazzpiano leitet, tritt im von ihr bevorzugten Trio-Format mit Bass und Schlagzeug auf. Jensen leitet die siebenköpfige LJN Faculty Band (inklusive Sängerin Sofia Rei). Sie ist also mit der alles andere als leichten Aufgabe beauftragt, innerhalb sehr kurzer Zeit aus dem Leitungsteam der Workshops ein Ad-hoc-Ensemble zu bilden (tagsüber wird ja in Langnau munter geprobt, und beim Off-Festival auf dem Viehmarktplatz gibt es Kostproben zu hören). Hommage an die Coltranes Lakecia Benjamin vertritt nicht nur die Frauen, sondern auch das afroamerikanische Erbe des Jazz. Die Saxofonistin tut dies mit einer Doppel-Hommage an John und Alice Coltrane: ein spirituelles Paar, das die Entwicklung des Jazz nachhaltig geprägt hat. Während John Coltrane kultisch verehrt wird, begegnet man dem Schaffen von Alice Coltrane, die 1965 zur Band ihres Mannes stiess, nicht durchwegs mit ungeteilter Begeisterung. Das mag auch daran liegen, dass die Pianistin, Harfenstin und Komponistin nach dem Tod John Coltranes im Jahr 1967 nur noch ein halbes Jahrzehnt als kreative Musikerin tätig war (und sich dabei auch in quasi-symphonische Gebiete vorwagte), bevor sie in Kalifornien ihr eigenes Ashram ins Leben rief. Auf dem Album «Pursuance» geht Benjamin auf Schmusekurs mit den Coltranes und wartet mit illustren Gästen auf (u.a. Dee Dee Bridgewater, Ron Carter, die Last Poets, Meshell Ndegecello und Greg Osby). In Langnau ist dagegen die Reduktion aufs Quartett-Format angesagt. In der Rolle von Sidewomen sind die Schlagzeugerin Roni Kaspi und Olivia Trummer (Klavier, Gesang) zu erleben. Erstere tritt mit dem Trio des etwas gar in sich selbst verliebten Bassisten Avishai Cohen auf, der auch singt. Trummer gehört zur Band des ebenfalls singenden Gitarristen Kurt Rosenwinkel, der sein brasilianisch angehauchtes Caipi-Programm vorstellt. Keinen Gesang darf man von John Scofield erwarten: Obwohl er das Motto «Yankee Go Home» gewählt hat, geht der Gitarrist mit einer (von bloss drei!) exklusiv US-amerikanischen Bands an den Start. Ebenfalls fest in amerikanischer Hand befindet sich die Fusion-Combo Yellowjakets. Als überzeugter Transatlantiker gibt sich dagegen der französische Saxofonist Emile Parisien mit seinem Sextett. Die hiesige Szene wird durch das Quintett des Trompeters Shems Bendali und die Band Type_F vertreten. Natürlich kann ein Programm mit zehn Bands nicht repräsentativ für eine Szene sein. Und doch spiegeln die heurigen Langnau Jazz Nights typische Tendenzen der aktuellen Entwicklung des Jazz recht gut wider: Der Jazz wird weiblicher, weisser und weniger amerikanisch. Tom Gsteiger Kupferschmiede Langnau, Dienstag, 26., bis Samstag, 30. Juli Der Jazz wird weiblicher Langnau Jazz Nights – Neben der Musik spielt dieses Jahr an den Langnau Jazz Nights die Diversität eine grosse Rolle. So gibt es im Programm viele Frauen zu entdecken. Saxofonistin Lakecia Benjamin spielt in Langnau. Foto: zvg

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